Screenshot: www.pedal-the-world.com
Er musste im Internet ordentlich Prügel einstecken: Seine Radreise hatte Felix Starck von Anfang an bestmöglich kommerziell vermarktet. Obwohl der junge Herxheimer relativ unerfahren im Reiseradeln und weil er nahezu ausschließlich von Sponsoren ausgestattet worden ist. Viele „gestandene“ Radler spotteten deswegen über ihn. Er sei naiv, öffentlichkeitsgeil, würde sich nur inszenieren – und das, obwohl er mehr im Flugzeug als im Sattel gesessen haben soll. Trotzdem filmte Felix fleißig die ganze Reise und verkauft seinen eineinhalbstündigen Film über seine Website.
Aller Kritik des konservativen Kerns der Reiseradler-Szene zum Trotz scheint der Erfolg ihm recht zu geben: Seine vielen Facebook-Fans freuen sich über seinen Radreise-Film. Doch die knapp 20 Euro für die DVD bzw. 13 Euro für den Download als MP4-Videodatei sind ein zunächst stolzer Preis für ein privates Filmprojekt. Zumindest in der Postproduktion scheint er von einer professionellen Filmagentur unterstützt worden zu sein. Ich haderte etwas, bis schließlich die Neugier siegte ich schließlich doch bei Felix kaufte. Dazu muss erwähnt werden, dass die Videodatei lediglich die DVD-Auflösung von 1280 x 760 Pixel bietet – also kein FullHD-Bild.
„Pedal the world“: Radweltreise oder Flugweltreise?
Zugegeben: Wer die Reiseroute auf seiner Website betrachtet, merkt, dass die Flugstrecken bei weitem überwiegen. Die Kritik, dass er mehr im Flugzeug als auf dem Sattel saß, kommt daher nicht von ungefähr. Doch kann ihm das wirklich angelastet werden? Wer bestimmt, ab wann eine Radreise eine Radreise ist? Er betont, dass es ums Reisen geht und nicht ums Fahrradfahren. Muss jemand also wirklich erst eine sportliche Leistung um ernst genommen zu werden?
Ich meine: nein. Klar prahlen im Internet erfahrene Reiseradler damit, Felix‘ Leistung übertroffen zu haben und sich trotzdem nicht medial inszeniert zu haben. Aber ist gegen eine Kommerzialisierung an sich etwas auszusetzen? Felix machte die Reise sicherlich nicht, um Geld zu verdienen. Das er es trotzdem tut, darf ihm nicht angelastet werden. Denn es ist ebenso verständlich wie andere Radler, die eben keine Lust darauf haben und die Unabhängigkeit lieber genießen.
Beweggründe für so eine Reise sind unterschiedlich und individuell. Für diese muss sich niemand rechtfertigen – egal wie sehr er sich inszeniert.
Das „Schwäbische“ aus dem Off
Okay – mit dem Schnitt im Nachhinein scheint sich Felix schon etwas Mühe gegeben zu haben. Denn er erzähl in Szenen von unterwegs und kommentiert auch aus dem Off – und zwar von Anfang bis Ende. An den starken schwäbischen Dialekt musste ich mich zunächst etwas gewöhnen. (Ich weiß, Herxheim liegt in der Pfalz.) Das kann und möchte ich ihm aber nicht anlasten – immerhin macht es den Jungen und auch den Film authentisch. Sein „Unnääääh…“ (übersetzt: und ähm) hat sich dennoch mir in die Ohrmuschel gebohrt.
Aus dem Off wird er auch etwas konkreter als in seinen kurzen Monologen, die sich oft auf ein ausführliches „Whoa geil!“ beschränken, wenn es nicht gerade um den Tod seines Großvaters geht. Das hat er etwas zu stark thematisiert, wie ich finde. Klar hatte es ihn beschäftigt und es war eines seiner Erlebnisse, die ihm auf der Reise widerfahren sind. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass er das ein oder andere Reiseziel etwas ausführlicher beschrieben hätte. Ich habe keine Kultur-Doku erwartet, aber doch etwas mehr seine Eindrücke an den bestimmten Orten.
Vollkommen überladen ging’s los
Zu Beginn waren sie noch zu zweit: Felix plante die Reise mit seinem damaligen Freund Fynn. Daheim sind sie losgefahren. Und zwar nicht nur mit den üblichen vier Packtaschen am Reiserad, sondern auch mit dicken Packsäcken auf dem Gepäckträger und einem Anhänger mit weiterem Gepäck. Haben die Jungs ihren ganzen Hausstand dabei? Oder Angst, dass sie unterwegs nichts zu essen bekommen werden?
Dass sie hemmungslos überladen waren, merkten die beiden wohl schnell: Schon bald war der Anhänger verschwunden. Es wäre schön gewesen, wenn Felix auch die Entwicklung seiner Ausrüstung thematisiert hätte. Natürlich soll der Film keine große Radreise-Anleitung sein. Dennoch wären einige praktische Erfahrungen dieser Reise nicht fehl am Platz gewesen.
Filmausschnitt von Pedal the World: Am Anfang noch zu zweit
Verschleiß an Reisepartnern
Schon recht bald hatten sich Fynn und Felix getrennt. Vor der Reise hatten sie sich noch gegenseitig auf ihrer Website beschrieben. Dort wirkten Beide wie unzertrennliche Freunde. Wie kann man sich nur derart verkrachen? Felix blieb im Film diplomatisch und auch wenn es den Zuschauer interessieren würde, ist es doch irgendwo verständlich, dass im Film keine schmutzige Wäsche gewaschen werden sollte. Bestimmt wollten beide nicht, dass Fynn groß im Film vorkommt.
Felix blieb aber nicht lange alleine. Neben etappenweisen Begleitungen seines Vaters oder seiner Freundin bekam er einen weiteren Reisepartner: Anselm, ein erfahrener Reiseradler, meldete sich bei ihm und wollte seinem Projekt beitreten. Doch auch diese Zweisamkeit währte nicht lange, sie fanden wohl keine gemeinsame Basis. Wer auch Anselms Radreisevideos kennt, merkt schnell, dass er und Felix komplett unterschiedlich Persönlichkeiten sein müssen. Felix mit einem noch recht jugendlichem Gemüt, für den noch alles cool und geil ist – und Anselm, der ruhige, entspannte und eher introvertierte Typ, der vielmehr die Natur genießen möchte.
Im Film erzählt Felix jedoch auch kaum etwas über diese gemeinsame Zeit. In einem Monolog über den plötzlichen Tod seines Opas erwähnt er lediglich, dass Anselm ihm „auf die Nerven geht“. In den folgenden Szenen war dieser nicht mehr dabei. Schade, die Perspektive seiner Reisepartner wäre auch interessant gewesen. Nicht unbedingt ihre Meinung über Felix selbst, vielmehr die über die Reise mit ihm.
Filmausschnitt aus Pedal the World: Felix filmt sich oft aus der Nähe
„Was ist der Sinn des Lebens?“ oder „Was ist der Sinn des Films?“
Felix hat zweifellos eine beeindruckende Reise hinter sich. Schön, dass er mit einem knapp 80-minütigem Film andere daran teilhaben lässt. Doch erfüllt der Film die Erwartung des Zuschauers, von der Reisebegeisterung angesteckt zu werden? Kommen die Emotionen auch rüber?
Ich muss zugeben, dass mir ein eindeutiges Fazit schwer fällt. „Was ist der Sinn des Lebens?“ – wohl nur eine rhetorische Frage des Films. Trotzdem sollte Felix diese Frage im Film aufgreifen, wenn er sie stellt. Etwa dann, wenn er darüber erzählt, wie es ihm geht und wie er die Reise empfindet. Das tut er nicht und im Nachhinein hätte ich mir seine persönliche (gern auch offene) Antwort auf die Frage erhofft. Also was ist dann der rote Faden des Films, wenn nicht die stückweise Beantwortung der Frage?
Einerseits erfüllt der Film von Felix nicht alle meine Erwartungen, die ich an eine kommerzielle Dokumentation einer Radreise habe. So sind etwa einige inhaltliche Lücken zu finden. Hätte ich die Reise nicht schon vorher verfolgt, hätte ich hin und wieder einige Fragen beim Filmschauen gehabt. Wie kommt Felix nun hier und dort hin? Warum erzählt er mir nicht mehr über diesen schönen Ort? Klar geht er hin und wieder auf Sehenswürdigkeiten ein. Etwas mehr kulturellen Hintergrund hätte ich mir unter anderem in Asien gewünscht. Felix möchte für seinen Film Geld haben. Deswegen hätte er sich auch etwas mehr Gedanken darüber machen sollen, was sich ein zahlender Zuschauer von der Doku erhofft, finde ich.
Natürlich ist Felix nicht der Museumsgänger. Aber wie waren seine Begegnungen mit Einheimischen und seine Eindrücke darüber? Dass er etwa in Kambodscha ausgeraubt wurde, so etwas spektakuläres hat er leider im Film ausgelassen und ich muss im Spiegel-Interview darüber erfahren. Klar, dass er die Situation nicht filmen konnte, aber warum erzählt er zumindest im Nachhinein nicht darüber? Wie hat er sich dabei gefühlt? Bestimmt hat er bei jeder Gelegenheit gefilmt und möglichst jede sehenswerte Location in den Film gepackt. Ich hätte aber gerne mehr etwas über seine Sicht der gefilmten Umgebung und der Erlebnisse erfahren. Denn das ist es doch, was die Reiselust beim Zuschauer weckt.
Kreative Perspektive: Felix filmt aus der Packtasche heraus
Andererseits hebt sich die Produktion qualitativ deutlich von Youtube-Filmchen ab, die oft nur eine Aneinanderreihung von Reiseszenen sind und in die wenig Mühe gesteckt wurde. Pedal the World ist eben nicht nur ein reines GoPro-Gewackel. Felix hat sich mit den Kameraeinstellungen und Szenen durchaus Gedanken gemacht. Zeitraffer, Unterwasserszenen und gut geschnittene Stativaufnahmen machen den Film abwechslungsreich und kurzweilig. Witzig ist etwa, wie er gleich anfangs aus der Packtasche heraus filmt.
Es sind zudem viele Landschaftsaufnahmen, die zum Träumen einladen und einen selbst zum Reisen inspirieren. Der Film weckt zweifellos die Lust, die Welt zu entdecken. Eben das, was Felix eben auch auf seiner Reise getan hat.